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Auswirkungen des Ukraine-Konfliktes auf Afrika

Autorenbild: zukunftswaisendzukunftswaisend

Wenn Sie dieser Tage beim Einkaufen vor den heimischen Supermarktregalen stehen, haben Sie sicher schon bemerkt, dass Produkte wie Speiseöl, Pasta oder Mehl – also Getreideprodukte im Allgemeinen – entweder schwierig zu finden, oder nur zu horrenden Preisen erhältlich sind. Wer sich darüber schon ärgert, sollte sich im Klaren darüber sein, dass die Situation in den deutschen Supermärkten gerade mal einen marginalen Bruchteil der Zustände auf dem afrikanischen Kontinent widerspiegelt. Insbesondere Kenia ist nach Heuschreckenplage, Dürre und Pandemie von der nächsten globalen Krise auch besonders hart getroffen. Heute soll es daher darum gehen, wie Putins Angriffskrieg sich auf die wirtschaftlichen, politischen und sozialen Gegebenheiten in ganz Afrika, aber im Besonderen in Kenia auswirkt.

Situation in der Ukraine

Landwirte aus den vom Angriffskrieg am stärksten Betroffenen Regionen der Ukraine berichten von gezielter Bombardierung von Feldern und Getreideanlagen. Der amtierende EU-Agrarkommissar meint Putin benutze die gezielte Lahmlegung der Agrarinfrastruktur und die damit verbundene globale Versorgungsknappheit als politisches Druckmittel.

Darüber hinaus fehlen in der Ukraine viele vor allem männliche Arbeiter in der Landwirtschaft, die nun dem Kriegsdienst nachgehen. Die Ukraine stellt nun teilweise auf eine Kriegswirtschaft um, beispielsweise wird nun erstmal mehr Weizen und weniger Mais angebaut. Generell liegt hier verständlicherweise aber erstmal die Versorgung der eigenen Bevölkerung im Fokus. Über die Häfen des Schwarzen Meeres wird momentan kaum exportiert.


Wirtschaftliche und soziale Auswirkungen


Russland und die Ukraine werden auch die „Kornkammer der Welt“ genannt. Beispielsweise decken sie 30% des weltweiten Weizen Exports ab. Weitere Güter wie Speiseöl (Sonnenblumen, Raps), Soja und Mais kommen auch zu großen Teilen aus diesen beiden Ländern. Ostafrika (also auch Kenia) beispielsweise bezieht 90% seines Weizenbedarfs aus Russland und der Ukraine. Auch Düngemittel wird oft durch russisches Gas gewonnen und daher auch vor allem aus der Schwarzmeerregion bezogen.

Klar ist, dass der Krieg in dieser Region natürlich zu Versorgungsknappheit und infolgedessen auch zu immensen Preissteigerungen auf dem afrikanischen Kontinent führt. Die Welternährungsorganisation (FAO) hat im März den höchsten Lebensmittelpreisindex für Grundnahrungsmittel seit 1990 festgestellt. Von Februar bis März 2022 sei dieser um 12% gestiegen. Die Weltbank erwartet sogar einen Anstieg um bis zu 30% (Stand 23.04.22). Die Preisanstiege haben sich inzwischen auch auf weitere Güter wie Reis, Zucker oder Fleisch ausgeweitet. Außerdem machen sich manche Produzent*innen und Händler*innen die Situation zu Nutze, um die Preise nochmal zu erhöhen. Da kein Ende des Krieges in Sicht ist, ist eben auch kein Ende der Preisspirale in Sicht.

Durch das knappere Angebot steigen die Preise und die Ärmsten können sich nichts mehr leisten. Die Menschen leben sparsamer und die Kaufkraft sinkt. Das Inflationsrisiko steigt infolgedessen und die Geldentwertung trifft natürlich wieder die aller Ärmsten am härtesten.

Für viele Arbeitende bedeutet das Ganze wiederum ein schlechteres Geschäft. Menschen, die mit Lebensmitteln arbeiten müssen ihre Zutaten zu horrenden Preisen einkaufen, kriegen diese aber nicht mehr verkauft. Arbeitende in der Tierhaltung können ihre Tiere nicht mehr zu Genüge mit Futter versorgen, weshalb diese beispielsweise keine Milch mehr geben oder sogar sterben.

Für die ärmeren Länder, in denen die Menschen mehr als die Hälfte ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben ist das Ganze eine Katastrophe. Auch das Ankurbeln des Eigenanbaus gestaltet sich aufgrund der mangelnden Düngemittel, und des mangelnden Geldes für Subventionen oder Preisdeckelungen schwierig. Auch die Zinsen auf den Geldmärkten sind durch die Pandemie in die Höhe geschossen und 60% der ärmsten Länder der Welt sind sowieso schon stark verschuldet. Nun bleibt nur noch die Hoffnung auf andere große Getreide-Exportländer wie Argentinien oder Australien.

Die durch Pandemie, Dürre und Heuschreckenplage ohnehin schon geschlauchten Länder erleiden nun eine immense Hungersnot. Der Direktor des Welternährungsprogramms schätzt, dass die Ernährungslage für 81 Millionen Menschen alleine in Ostafrika unsicher ist (Stand 23.04.22). Das bedeutet einen Anstieg von über 60% seit Juni letzten Jahres. Die Gefahr einer Hungersnot ist absolut real. IWF und Weltbank nennen die Nahrungsmittelkrise eine „humanitäre Katastrophe für Afrika“.


Situation in Kenia


Die drei Länder die von der aktuellen Situation besonders betroffen sind, sind Somalia, Äthiopien und vor allen Dingen der Norden Kenias. Hier blieb nun zum Vierten Mal in Folge die erwartete Regenzeit aus. Die betroffenen Länder trifft die schwerste Dürre seit 40 Jahren. Die kenianische Regierung hat bereits einen nationalen Notstand ausgerufen: Nutztiere verhungern, Weiden vertrocknen, Brunnen trocknen aus und die Böden sind zu trocken für den Anbau. Alleine im Januar und Februar 2022 starben bereits 1,4 Millionen Nutztiere aufgrund der Dürre in Kenia. Vielen Menschen entzieht diese Dürre also ohnehin schon jegliche Lebensgrundlage.

Daher sind auch 80% des kenianischen Weizens momentan importiert. Durch die Versorgungsknappheit infolge des Krieges wird dieser ebenso wie Mais nun noch knapper. Chapati (Weizenbrot) oder Ugali (Maisbrei) sind beispielsweise traditionelle kenianisch Grundnahrungsmittel, die sich normalerweise auch die Ärmsten leisten können. Auch diese werden nun unerschwinglich. Die Grundversorgung ist in Gefahr und Kenia ist stark auf Hilfen des Welternährungsprogramms angewiesen.

Nuru Sahid, die Heimleiterin des „Heart Children’s Home“, mit dem Zukunftswaisend zusammenarbeitet, schildert ihre Situation vor Ort folgendermaßen:


„Wirklich alles ist teurer geworden. Die Preise haben sich verdoppelt. Zum Beispiel stiegen die Preise für Speiseöl von 70 auf 150 Schilling pro Liter, der 25kg Preis für Reis stieg von 2800 auf 4200 Schilling und die Packung Ugali kostet nun 3500 statt 2400 Schilling. Für Omars Weg mit dem Motorrad bezahlen wir nun 50 statt 100 Schilling pro Tag. Letzte Woche sind wir auf lokale Kirchen, Märkte und auch Privatpersonen zugegangen, um uns Essen zu besorgen. Es ist gerade wirklich hart.“


Politische Situation in Afrika


Politisch verursacht Putins Angriffskrieg einen Riss durch den afrikanischen Kontinent. Auf der einen Seite stehen Staaten wie die Zentralafrikanische Republik, der Sudan, Mali oder Guinea, die Sympathien für Russland hegen. Russland wird hier in Teilen der Bevölkerung als antikolonialistischer Bruder gefeiert. Teils pflegt Russland enge Beziehungen zu diesen Staaten, da diese auch wichtige Stimmgeber Russlands in einschlägigen UN-Gremien sind. Eine weiterer Abhängigkeitsfaktor einiger afrikanischer Staaten von Russland ist, dass ca. die Hälfte aller afrikanischen Waffen aus Russland kommt.

Auf der anderen Seite hat sich die Afrika Union klar gegen Russland ausgesprochen und auch die drei derzeitigen afrikanischen Mitgliedsstaaten des UN-Sicherheitsrats Kenia, Ghana und Gabun haben klar Stellung gegen Russland bezogen. Beispielsweise positionierte sich der Kenianische UN-Botschafter Martin Kimani sehr deutlich: Er verglich das Verhältnis zwischen Russland und Ukraine mit dem postkolonialen Afrika. Auch hier wären willkürlich nicht-selbstbestimmte Grenzen zwischen ehemals Zusammenlebenden gezogen worden. Afrika habe diese Grenzen akzeptiert, statt immer noch nach Zusammenführung zu streben. Er habe Verständnis für die Sehnsucht der Wiedervereinigung, jedoch müsse diese zum Preis des Friedens aufgegeben werden. Er strebe eine weitere interkontinentale wirtschaftliche und rechtliche Integration an. Man müsse sich „von der Glut toter Imperien auf eine Weise erholen, die uns nicht wieder in neue Formen von Herrschaft und Unterdrückung stürzt“.

Die Infragestellung der völkerrechtlichen Ordnung durch das Aufweichen von Grenzen könnte aber generell zum gefährlichen Vorbild für Afrika werden. Viele Menschen sind hier berechtigterweise der Meinung, dass nur über die UN-Charta und das Völkerrecht geredet werde, wenn Staaten auf der Nordhalbkugel in Gefahr seien. Afrikanische Staaten hätten kein Stimmrecht.

Ein weiterer politischer Einflussfaktor des Krieges besteht darin, dass westliche Industrienationen nun wieder einen Anreiz haben mehr Investitionen in die eigene Rüstungspolitik fließen zu lassen, was auf Kosten der Entwicklungszusammenarbeit gehen könnte. Generell scheint auch eine politische Destabilisierende Wirkung der Hungersnot möglich zu sein: Unruhen und Proteste in der Bevölkerung sowie weitere Konflikte zwischen Staaten könnten sich häufen.


Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz tritt nun auch eine Afrika Reise an, um neben Pandemie und anderen Herausforderungen eben nun auch über die Auswirkungen des Krieges auf den afrikanischen Kontinent zu reden. Die NGO Oxfam stellt im Zuge dessen beispielsweise die Forderungen an ihn Politik auf Augenhöhe, statt eine Politik der Abschottung zu praktizieren und nicht nur auf wirtschaftliche Beziehungen zu achten, sondern auch in staatliche System wie Bildung, Gesundheit und soziale Sicherheit zu investieren sowie Geschlechtergerechtigkeit zu fordern (Stand 22.05.)


Zukunftswaisend e.V. schließt sich , gerade im Anblick der katastrophalen Situation vor Ort, diesen Forderungen an! Angesichts der schwierigen Versorgungslage ist ihre Spende außerdem nun wichtiger denn je. Vielen Dank für ihre Unterstützung!

Quellen



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