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Auflösung des Entwicklungsministeriums?


Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) wurde bereits vor 60 Jahren von Konrad Adenauer gegründet und hat somit lange Tradition. Nun ist aus den aktuellen Koalitionsverhandlungen der Ampel-Parteien SPD, Gründe und FDP durchgesickert, dass die Abschaffung des besser als Entwicklungsministerium bekannten Amtes zur Debatte steht.


Aufgaben des BMZ

Das BMZ befasst sich traditionell damit die internationale Entwicklungszusammenarbeit zu fördern. Dabei ist es zum Beispiel dafür zuständig die Schwerpunkte deutscher Entwicklungspolitik zu setzen, Verträge mit Empfängerländern abzuschließen, Entwicklungsprojekte zu finanzieren, zu planen und umzusetzen oder auch den globalen Klimaschutz voranzubringen. Ein wesentliches Ziel der deutschen Entwicklungspolitik ist außerdem die Bekämpfung des Welthungers, da momentan immer noch ca. ein Zehntel der Weltbevölkerung – 800 Millionen Menschen – hungern müssen. Da sich die Lage durch die Corona-Pandemie noch einmal verschlechtert hat, brachte der amtierende Entwicklungsminister Gerd Müller (CDU) auch ein Corona-Soforthilfeprogramm ins Rollen. Weiterhin arbeitete er auch auf die Bekämpfung von Fluchtursachen und auf das Lieferkettengesetz hin, das wir in unserem letzten Blog-Post thematisiert haben.


Rolle des BMZ in den aktuellen Koalitionsverhandlungen

In den aktuellen Koalitionsverhandlungen scheint Entwicklungspolitik allerdings eine eher untergeordnete Rolle zu spielen. In der Arbeitsgruppe AG20, in der Entwicklungspolitik zusammen mit Außen-, Verteidigungs- und Menschenrechtspolitik ausgehandelt wird sitzt beispielsweise kein*e einzige*r Expert*in für Entwicklung mit am Tisch. Der Geldtopf für Entwicklungspolitik war im Jahr 2021 mit ganzen 12,4 Milliarden Euro bestückt. Im Vergleich dazu hatten beispielsweise Wirtschaftsministerium (10,4 Mrd.), Auswärtiges Amt (6,3 Mrd.) oder Umweltministerium (2,66 Mrd.) deutlich weniger zur Verfügung. Und da die neue Regierung keine Neuschulden aufnehmen will, keine Steuern erhöhen will, aber eine Menge Geld in den Klimaschutz investieren möchte, ist es nicht unwahrscheinlich, dass sie sich dabei am Topf für Entwicklungszusammenarbeit bedienen. Generell werden wohl drei Varianten der Auflösung des BMZ diskutiert: eine Integration ins Umweltministerium, eine Fusion mit dem Wirtschaftsministerium, oder, was am wahrscheinlichsten ist, dass Entwicklungspolitik als Abteilung ins Auswärtigen Amtes (AA) eingegliedert wird. Schon die humanitäre Hilfe in Krisensituation wurde vor Jahren aus dem BMZ ins AA umgesiedelt und Christian Lindner, der nun die Ampel-Verhandlungen für die FDP führt, hatte schon 2017 gefordert die beiden Ministerien zusammenzulegen.

Mögliche Vorteile der Fusionierung

Neben dem Freiwerden von Geldern für Klimaschutz sprechen auch noch weitere Aspekte für eine Eingliederung des BMZ ins AA. In Afghanistan hat das BMZ beispielsweise korrupte Regime unterstützt und das AA und das BMZ haben teilweise gegensätzliche Politik gemacht. Durch die Zusammenlegung der beiden Bereiche könnte eine kohärente Entwicklungs- und Außenpolitik möglich werden und Entwicklungsgelder könnten an außenpolitische Auflagen, wie Antikorruption oder Einhaltung von Menschenrechten gebunden werden. Auch der Fakt, dass die kurzfristige humanitäre Soforthilfe in Händen des AA liegt, die langfristige Entwicklungszusammenarbeit allerdings beim BMZ, kann man als eine Trennung interpretieren die so aufgelöst werden würde.

Da beide Ministerien mit dem Ausland verhandeln, kommen weiterhin teilweise unnötige Doppelstrukturen Zustande. Beispielsweise flogen 2010 die FDP-Minister der Entwicklung und des Äußeren Dirk Niebel und Guido Westerwelle gleichzeitig nach Ostafrika, um dort individuell zu verhandeln. Durch die Fusionierung könnten daher bürokratischer Aufwand sowie finanzielle Mittel gespart werden.

Da das Auswärtige Amt im Kabinett einen höheren Stellenwert genießt als das BMZ, könnten wichtige Entwicklungspolitische Punkte, wie die Bekämpfung von Fluchtursachen durch die Zusammenlegung weiterhin mehr Gewicht bekommen als bisher.

Zuletzt kann man an der Arbeit des BMZ der letzten Jahrzehnte an sich einiges kritisieren. Teilweise wurden langfristige Abhängigkeiten von Deutschland geschaffen, anstatt den Empfängerländern die nötigen Mittel zur Hilfe zur Selbsthilfe bereitzustellen. Neben der fehlenden Nachhaltigkeit, ist in diesem Zuge außerdem der Aspekt des Eurozentrismus und des White Saviourism (siehe Blog 1) zu kritisieren. Kritiker*innen sprechen sogar von neokolonialen Strukturen. Auch die mangelhaften Methoden und Erfolge der deutschen Entwicklungszusammenarbeit könnten also für eine Abschaffung desselbigen sprechen.


Potenzielle Nachteile der Fusionierung

Dennoch ruft das durchgesickerte Vorhaben vor allem Hilfsorganisationen auf den Plan. Diese fürchten, dass Entwicklungspolitik an Bedeutung verlieren könnte, wenn sie keine*n Minister*in und damit keine öffentliche Repräsentation mehr hat.

Obwohl beide Ministerien mit dem Ausland verhandeln, verfolgen sie verschiedene Ziele. Das BMZ verfolgt das Ziel globale Entwicklung und Gerechtigkeit voranzutreiben, wohingegen das AA deutsche Interessen im Ausland vertritt. Daher beschäftigt sich das AA momentan vor allem mit Großmächten, wie den Vereinigten Staaten, Russland, China oder der Türkei. Ärmere und weniger einflussreiche Länder, die von der Entwicklungszusammenarbeit am meisten profitieren, könnten daher zukünftig vernachlässigt werden. Die Entwicklungspolitik würde zum verlängerten Arm der Außenpolitik degradiert werden und Gelder würden nur noch fließen, wenn die Regierungen der Empfängerländer nach westlichen Wertvorstellungen handelten. Dieser Eurozentrismus könnte neben des direktiven und postkolonialen Nachgeschmacks, auch dazu führen, dass etlichen Menschen dringend benötigte Hilfe verwehrt werden würde.

Weiterhin ist eine solche Zusammenlegung in vielen Nachbarländern Deutschlands bereits erwogen, geprüft und abgelehnt worden. In Großbritannien wurde diese allerdings vollzogen, wobei viele gerade dies als Negativbeispiel ansehen.

Um große Ziele, wie die des Pariser Klimaabkommens oder die Ziele der UN für nachhaltige Entwicklung einzuhalten brauche es außerdem eine ministeriale Vertretung der Entwicklungszusammenarbeit, betonen Kritiker*innen. Sie befürchten weiterhin Kürzungen der Gelder, wie es in Großbritannien der Fall war. Die ODA-Quote (siehe Blog 2) von 0,7% müsse dafür allerdings eingehalten werden. Klimapolitik vor der eigenen Haustür reiche nicht aus, um diese Ziele zu erreichen und sei Augenwischerei, um wiedergewählt zu werden. Selbst aus konservativer Perspektive sei die globale Bekämpfung des Klimawandels und von Fluchtursachen äußerst relevant, da sich sonst unvorstellbare Geflüchtetenströme entwickeln könnten.

Zuletzt fehle die entwicklungspolitische Expertise in den aktuellen Verhandlungen. Entwicklungspolitik sei eine Querschnittsaufgabe für die unterschiedlichstes Know-How benötigt werde. Man könne das BMZ daher nicht einfach mit dem AA zusammenwürfeln. Dies führe nach den Geschehnissen, die man in Großbritannien beobachten kann zu urteilen, eher zu einer Zerschlagung von Expertise und zu weniger kohärenter Friedenspolitik.


Alternative Lösungsmöglichkeiten

Als Alternative, fordern viele Hilfsorganisationen eine Kehrtwende statt einer Abkehr von der Entwicklungspolitik. Man müsse die Fehler der letzten Jahrzehnte gründlich reflektieren und an Stelle der Schaffung neuer Abhängigkeiten die Vernetzung über Sektoren hinweg, Lokale Initiativen und finanziell nachhaltige Programme fördern. Eine kohärentere Entwicklungs- und Außenpolitik könnte auch durch intensivere Zusammenarbeit des BMZ und des AA erreicht werden. Eine vorgeschlagene Änderung der Rolle des BMZ ist außerdem die Aufwertung zu einer Koordinierungsstelle für globale Politik.


Statement Zukunftswaisend e.V.

Als gemeinnützige Organisation, die sich mit nachhaltiger Entwicklungszusammenarbeit beschäftigt, teilen wir von Zukunftswaisend e.V. einige der genannten Befürchtungen. Deutsche Entwicklungszusammenarbeit ist es schon und kann ein noch größerer Baustein für die Erreichung großer Nachhaltigkeits- und Gerechtigkeitsziele werden. Daher sprechen wir uns gegen die Zusammenlegung der beiden Ministerien aus. Wenn du das genauso siehst und den Plänen etwas entgegensetzen möchtest, laden wir dich herzlich ein, dir einmal die folgende Petition anzuschauen:






Quellen

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